24. April 2022
Nehmen wir mal an, du hast aus dem Affekt reagiert. Du hast dich von deinen Gefühlen - ohne dass dir klar war, was du genau fühlst - mitreissen lassen. Hast Dinge gesagt, die dir, wenn du jetzt darauf schaust, Leid tun.
Nehmen wir mal an, du bedauerst aufrichtig, dich so verhalten zu haben. Und möchtest dich für eine Perspektive öffnen, die den anderen mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen einschliesst.
Du fühlst dich also in ihn/sie empathisch ein. Entwickelst nach und nach Verständnis und Mitgefühl.
Soweit alles wunderbar.
Die alles entscheidende Frage ist: Kannst du zu deinen eigenen guten Gründen weiterhin stehen?
Oder spürst du dich selbst mit deinen Bedürfnissen nicht mehr, jetzt, wo du den anderen mit seinen Bedürfnissen spüren kannst? Möchtest nichts sagen, was als Forderung rüberkommen könnte. Sagst lieber gar nichts mehr. Obwohl du längst an einem Punkt bist, wo du merkst, dass das für dich nicht mehr geht, dass er/sie immer wieder später kommt, ohne dir eine Nachricht zu schicken. Dass du in Entscheidungen, die euch beide betreffen, einbezogen werden möchtest. Oder was auch immer es für dich ist.
Das Mitgefühl, das du für den anderen empfindest, mag echt sein. Nur bringt es niemandem etwas, wenn du gleichzeitig dich selbst mit deinen Bedürfnissen abwertest.
Das alles löst Resonanz aus? Dann ist die grosse Herausforderung für dich nicht, dich in jemanden einzufühlen, sondern Mitgefühl zu empfinden UND GLEICHZEITIG die Verbindung zu dir selbst nicht zu verlieren.
Das UND GLEICHZEITIG ist DIE Herausforderung. Nicht nur für dich. Auch für mich. Wenn es gelingt, tauchen andere Herausforderungen auf: Wie kannst du wirklich für dich einstehen und für das gehen, was dir wichtig ist? Und dich nicht abschrecken lassen, wenn der andere nicht sofort so reagiert, wie du es dir wünschst?
Das sind für mich lebenswichtige Fragen. Auf die es keine einfachen Antworten gibt. Ich weiss nur: Dranbleiben hilft. Erfahrungen machen und sie bewusst reflektieren hilft. Von und mit anderen lernen hilft. Und es gibt die vier Schritte der GFK, um dich in deiner Selbstverbindung zu stärken und von dort aus in den Selbstausdruck und die Empathie zu gehen. Immer wieder neu.
Neugierig?
Die nächsten zwei Gelegenheiten dazu gibt es ONLINE:
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Lass uns gemeinsam wachsen!!
Sandra
22. Januar 2022
Wer oder was spricht eigentlich, wenn du JA sagst, obwohl du VIELLEICHT oder NEIN meinst? Ist das der Teil, der gemocht werden möchte? Der nicht die Person sein möchte, die (schon wieder!) komisch ist? Ist das die Angst davor, dass das Gespräch einen unguten Verlauf nimmt und dir dann Energie raubt? Und dann ist es einfacher, JA zu sagen, denn so schlimm ist sie dann doch wieder nicht, die Sache, zu der du JA gesagt hast? Ist es also dein Bedürfnis nach Harmonie, das dir nicht erlaubt, hinzuspüren, was du wirklich willst?
Oft merken wir ja erst viel später, dass das JA nicht wirklich authentisch war. Wir merken es an der gedrückten Stimmung, die sich wie ein Schleier über unsere Lebendigkeit legt, oder dem Ärger, der in einer ganz anderen Situation plötzlich aufflammt. Wenn wir dann ganz ehrlich zu uns sind, können wir der einfachen Wahrheit ins Gesicht blicken: Ich habe JA gesagt und mich selbst dabei übergangen. Und vielleicht habe ich das nicht nur einmal, sondern mehrmals oder über viele Monate hinweg gemacht.
Du kennst das und fängst dann an, dir selbst Vorwürfe zu machen? Dann möchte ich dich einladen, dich sofort anzuhalten, und dir stattdessen zu erlauben, die ganze Traurigkeit zu spüren, die auftaucht, wenn du anerkennst, wie es ist: Du hast dich in vielen Momenten nicht wirklich gezeigt.
Es mag kontraproduktiv klingen, dich der Traurigkeit zuzuwenden, die sich auf etwas bezieht, was du nicht mehr ändern kannst, denn du willst ja nach vorne blicken und lernen, dich mit deinen Bedürfnissen ernst nehmen und für sie einstehen. Nur: Wenn du hart über dich urteilst, zieht sich etwas in dir zusammen. Jede Absicht, die du in diesem Zustand formulierst, kommt aus der Anspannung und erzeugt ziemlich sicher Druck. Keine gute Ausgangslage für Veränderung. Wenn du Traurigkeit zulässt, bist du in der Weichheit mit dir selbst und dem Leben. Aus meiner Sicht die beste Grundlage, um Kraft zu schöpfen und zu lernen, entweder bewusst JA zu sagen oder wirklich NEIN. Und zu lernen, mit allem umgehen, was dann passiert.
15. März 2021
„Ich hab das Vertrauen verloren“ - das hast du bestimmt schon mal gedacht, oder? Wahrscheinlich meinst du dann: „Ich habe bestimmte Erfahrungen gemacht und bin enttäuscht und gefrustet und immer noch aufgebracht, wenn ich an das denke, was ich mit diesem oder jenem Menschen erlebt habe und deshalb spüre ich keinerlei Bereitschaft in mir, dies oder das zu tun...“ Hier wird klar: Es sind deine Gefühle, die weh tun, nicht das Bedürfnis. Um das Bedürfnis haben sich jede Menge unangenehme Gefühle gelegt, so dass du im Moment (oder sogar für längere Zeit) keinen Zugang dazu hast. Das Bedürfnis Vertrauen lebt währenddessen in seiner ganzen Schönheit und Fülle weiter in dir.
"Ah ja, wie das?"
Ganz einfach: Bedürfnisse können nicht verletzt, beschädigt oder kaputt gemacht werden. Die Bedürfnisse sind der Ort in uns, wo wir heil, ganz und rund sind. Und zwar immer.
So auf Bedürfnisse zu blicken, hat meinen Blick auf mich selbst und das Leben verändert. Und darauf, was mit Heilung gemeint ist. Zu heilen bezieht sich aus dieser Sicht auf die Ebene der Gefühle. Wir können heilen, indem wir uns mit unseren Gefühlen halten. In Mitgefühl und Liebe. Wenn wir nicht gegen sie ankämpfen, sondern mit ihnen sind. Gerade mit denen, die sehr weh tun. Enttäuschung, Frust, Verzweiflung, Traurigkeit…
Manchmal ist der Schmerz zu gross und wir schaffen es nicht allein. Dann ist es ein Geschenk, wenn es jemanden gibt, der uns mit allem hält. Ohne uns beruhigen zu wollen oder einen Rat zu geben. Jemand, der im übertragenen Sinn die Arme ganz weit ausbreitet und für uns den Raum hält, so dass wir mit allem da sein können. Auch mit dem, was wir als hässlich und nicht liebenswert abtun.
Dann kann sich das, was zusammengezogen ist, entspannen.
Das, was eng ist, kann sich weiten.
Und das Harte und Erstarrte schmelzen.
Dann können wir eintauchen in die Schönheit und Fülle unserer Bedürfnisse. Die die ganze Zeit da waren.
Wenn wir hier sind, kann es gut sein, dass wie aus dem Nichts ein Handlungsimpuls, eine Idee oder eine Absicht für den nächsten Schritt auftauchen. Denn in unseren Bedürfnissen liegt auch unsere Kraft und Kreativität. Mmmhhh…
Foto: Tharien Smith & Bruce Boyd
12. August 2021
Dieser Moment, wenn wir etwas fühlen, was wir nicht fühlen wollen. Dieses komische Gefühl im Solarplexus, der Kloss im Hals, die Schwere in der Brust, mit der sich eine depressive Verstimmung ankündigt etc. Und alles in uns schreit: "Ich will das jetzt nicht!! Ich will mich jetzt leicht, froh und frei fühlen!!“
Ich kenne das nur zu gut. Und weil ich das kenne, weiss ich auch, dass da meistens noch andere Gedanken rumspuken. So was wie: „Ich sollte das annehmen." Oder noch besser: „Ich sollte es umarmen.“ Gleichzeitig wollen wir in diesen Momenten nichts annehmen und umarmen… Das ist es ja…
Was ich in solchen Momenten mache, kannst du auch. Ganz ehrlich zu dir selbst sein und laut aussprechen, was Sache ist: „Hallo komisches Gefühl im Solarplexus (Verzweiflung/ Enttäuschung/ Kloss im Hals/ Schwere in der Brust etc.). Ich hab überhaupt gar keine Lust auf dich. Ich will dich nicht fühlen. Gleichzeitig spüre ich dich doch… Ich weiss nicht, ob ich dich jemals annehmen kann. Ich kann dir das auf jeden Fall nicht versprechen. Aber da du jetzt schon mal da bist, sag ich einfach mal ‚Hallo‘.“
Beobachte aufmerksam, was dann in dir passiert. Verändert sich etwas? Oder nicht? Vielleicht ist die Veränderung nur ganz fein. Aber sie ist da. Vielleicht bist du neugierig und möchtest du noch einen Schritt weiter gehen. Dann kannst du zu dem, was du fühlst, sagen: „Ich sehe dich. Ja, wirklich, ich sehe dich. Auch wenn ich nicht will... Ich sehe dich.“
So wie wir uns wünschen als der Mensch, der wir sind, gesehen zu werden, wünscht sich jedes Gefühl in uns gesehen zu werden. Das Schöne daran: Wir können uns das selbst geben. Annehmen geht vielleicht nicht. Begrüssen und sehen schon.
Kann gut sein, dass du plötzlich überrascht feststellst, dass du innerlich an einem ganz anderen Ort bist. Vielleicht bist du dankbar, dass durch dieses ‚Hallo‘, das alle deine Widerstände miteinbezieht, etwas in dir in Bewegung gekommen ist. Denn was sein darf, verändert sich.
25. September 2021
Das Zauberformel lautet: dir erlauben, in dich hineinzuspüren.
Vielleicht findest du da ein Chaos aus Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen vor... Nichts passt zusammen, manches davon zieht dich in unterschiedliche Richtungen…
Bleib trotzdem dort.
Und bringe Ordnung in das Chaos, indem du bei den Gedanken anfängst. Nähere dich ihnen neugierig und achtsam. Vielleicht weisst du, was du dir wünschst, aber da ist eine Stimme, die sagt: „Ich würde dies und das so gern machen, aber…“. Wenn du dich jetzt nicht sofort von dem ‚aber‘ mitreissen lässt, kannst du erstmal ganz nüchtern feststellen, dass du hin und her gerissen bist. Zwischen Bedürfnissen, die sich auf dich selbst beziehen und Bedürfnissen, die deine Beziehung zu anderen im Blick haben. Du möchtest etwas machen, aber es geht nicht, weil die Kinder noch klein sind, weil dein Partner das nicht gut findet… Was auch immer.
Erlaube dir jetzt, die Gefühle wahrzunehmen, die auftauchen, wenn du an deinen Wunsch denkst. Alles, was nicht damit zu tun hat, schiebst du für einen Moment zur Seite. Lass auftauchen, was auftauchen will. Weich nicht aus. Wenn du merkst, dass du wieder zum ‚aber‘ gehst, bring deine Aufmerksamkeit wieder in den Körper zurück. Gehe dann mit deinem Spüren noch ein bisschen tiefer und frage dich: Welches Bedürfnis erfüllt sich, wenn ich ... tue?
Das ist die alles entscheidende Frage. Denn der Wunsch, mit dem du in diese Selbsterforschung eingestiegen bist, ist nicht dein Bedürfnis. Wenn du z.B. eine Weiterbildung machen willst, dann ist nicht die Weiterbildung dein Bedürfnis, sondern 'lernen und wachsen‘ - was sich durch die Weiterbildung erfüllt. Wenn du ein Wochenende ohne deine Familie sein willst, dann ist dein Bedürfnis wahrscheinlich Zeit und Raum für dich und deine Strategie, das zu erleben, ist, ohne deine Familie wegzufahren.
Wenn du das Bedürfnis weisst, bist du an einem wunderschönen Ort, denn dort gibt es grundsätzlich unendlich viele Möglichkeiten. Die Weiterbildung und das Wochenende ohne Familie sind jeweils nur eine…
Der nächste Schritt ist deshalb, wie du herausfindest, wie du dein Bedürfnis ins Leben bringst. Auch wieder ein
schöner Anlass, dich selbst zu erforschen...
2. November 2021
Wir alle kennen diese Momente, in denen wir einfach nur spüren wollen, dass es okay ist, so zu sein, wie wir sind. Dass wir nicht mehr oder anders sein müssen.
Und es gibt die Momente, in denen wir instinktiv spüren, dass okay-sein irgendwie zu eng gefasst ist. Wir wollen dann erfahren, dass es auch okay ist, nicht okay zu sein. Dass wir anders sind als wer oder was auch immer und dass dieses Anderssein keine Erklärung braucht. Das geht dann in Richtung self-empowerment.
Auch wenn okay-sein und okay-sein-nicht-okay-zu-sein wirklich grundlegende und schöne Bedürfnisse sind - irgendwie bleiben wir hier doch dem Denken in Gegensätzen verhaftet, oder? So langweilig...
Ich habe angefangen, nach Alternativen zu suchen. Nach Formulierungen, die besser auf den Punkt bringen, worum es mir geht: „Ich öffne mich dafür, mich in Gegenwart von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich zu fühlen.“ Das ist zum Beispiel so ein Satz, der mir viel mehr dient, als „Ich bin okay so wie ich bin“. Da kommt die Vielfältigkeit meiner Erfahrungen zum Ausdruck. Die vielen Möglichkeiten meiner Gefühlswelt. Die Fülle meines Innenlebens.
Dieser Satz hebt mich definitiv übers okay sein hinaus. Denn wir wollen doch alle mehr als die Entspannung, die mit okay sein einhergeht, oder? Wir wollen die sprudelnde Lebendigkeit spüren, die wir sind - ohne uns zurückzuhalten und uns für irgendetwas zu entschuldigen oder zu schämen. Und erleben, wie es ist, wenn wir dann Menschen begegnen. Oder etwa nicht??
15. April 2021
Wenn wir die letzten in der Familie sind, die irgendetwas Wichtiges erfahren, rufen wir „Warum sagt mir das denn keiner?" und denken uns in nullkommanichts in eine Welt rein, in der die anderen uns über- und hintergehen. Wenn jemand anruft und sein Anliegen energisch und mit vielen Worten vorbringt, fühlen wir uns eingeschüchtert und in die Ecke gedrängt.
Was sich anhört, als würden wir unsere Gefühle zum Ausdruck bringen, sind in Wirklichkeit Geschichten, die wir uns selbst erzählen. Dass wir das nicht so leicht merken, liegt daran, dass diese Geschichten verführerisch sind. Denn wiir sind alle mit ihnen aufgewachsen, also fällt es den meisten leicht einzusteigen: „Ja, stimmt, wirklich unmöglich, wie kann er nur…“ Jetzt sind es zwei, die wissen, wer der Böse in der Geschichte ist... Auch wenn wir jetzt nicht mehr allein sind, die Sache hat einen Haken: Wir machen uns zum Opfer. „Ich fühle mich im Stich gelassen!“ können wir nur sagen, wenn da jemand ist, der etwas tut, was wir als „im Stich lassen“ interpretieren. Dieser jemand ist der Täter…
Warum so, wenn’s auch anders geht?
Es gibt eine Frage, die dir helfen kann, weg von den Interpretationen und dafür in deinen Körper reinzukommen: „Wie fühlt es sich an, wenn ich mir erzähle, dass ich …. (übergangen werde/ ausgenutzt werde etc.)?“ Da ist vielleicht Anspannung im Solar Plexus und du merkst du plötzlich, wie du dich wirklich fühlst: fassungslos, schockiert oder empört. Das sind deine echte Gefühle!! Du bist jetzt ganz bei dir. Du BIST aufgebracht und entsetzt, ungehalten und schockiert etc. Da ist niemand, der dir das antut.
Also, wenn du wieder mal in einer Geschichte gefangen bist, stell dir die Frage von oben und bring deine Aufmerksamkeit in deinen Körper. Wenn du dann spürst und weisst, wie du dich wirklich fühlst, hast du vielleicht sogar Lust auszuprobieren, was passiert, wenn du dich damit zeigst: „Du, also, wenn du mir eine Woche später erzählst, dass …. dann bin ich erstmal ziemlich geschockt.“ Wie auch immer dein Gegenüber reagiert: Es ist ein Schritt in Richtung innere Freiheit und Verbindung.
Foto: Szene aus „Allee der Kosmonauten“ (1996) der Choreografin Sasha Waltz