Wahrheit und Seelenfrieden

3. September 2024

In den vielen Jahren mit der Gewaltfreie Kommunikation habe ich gelernt, niemals ungefragt einen Rat zu geben. Ich habe mindestens;-) tausend Mal erlebt, wie gut es tut, wenn mich jemand empathisch hört und mir Raum gibt, mich über meine Gefühle und Bedürfnisse mit mir selbst zu verbinden. In meinem eigenen Tempo.

In den Jahren, in denen ich von Menschen gelernt habe, die nicht mit der GFK unterwegs sind, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es auch sehr wertvoll sein kann, wenn einem jemand etwas auf den Kopf zusagt. Viele meiner Schritte sind genau dadurch initiiert worden: Dass mir jemand etwas gesagt hat, was ich zu dem Zeitpunkt eigentlich nicht hören wollte. Sie haben es nicht gesagt, um Druck auszuüben, sondern weil sie an mich geglaubt haben. Sie haben mich auf eine unbequeme Wahrheit hingewiesen, um mich an meine ganze Grösse und Kraft zu erinnern. 

In meinen Gruppen und bei Einzelbegleitungen mache ich inzwischen beides: ich gebe Raum und tune mich ganz auf mein Gegenüber ein. Wohlwollend, vermutend und nicht-wissend. Und ich sage, wenn ich eine klare Intuition habe, dass jemand etwas Wichtigem ausweicht. 

Dabei stellt sich natürlich die Frage: 

Wann braucht es Einfühlung und Empathie und wann meine ehrliche Direktheit?
Eigentlich kann ich es gut spüren. Trotzdem will ein Teil in mir nicht diejenige sein, die den Finger in die Wunde legt. Das ist der Teil in mir, der um jeden Preis gemocht werden will…

Was hilft mir diesem Teil nicht die Macht zu überlassen und stattdessen über ihn hinauszuwachsen?

Das Vertrauen meiner Teilnehmer*innen.

Denn viele kommen immer wieder. Sie machen die Erfahrung, dass sie sich auf mich verlassen können. Auf meine Art der Begleitung und Unterstützung, meine Einschätzungen und Entscheidungen.

Sie finden hier nicht nur einen sicheren Rahmen, sondern auch einen weiten Raum des gegenseitigen Vertrauens. 

Das löst Freude und grosse Dankbarkeit in mir aus - 

und es hilft mir, mich in bestimmten Momenten mutig vorzuwagen und Dinge auszusprechen, die die Person lieber ausblenden würde. Es ist auch schon vorgekommen, dass mir später jemand dafür gedankt hat;-)

 

6. Juni 2024

In den letzten Wochen ist es zweimal passiert, dass ich unsanft in der Wirklichkeit gelandet bin. Beide Male hat mir jemand etwas gesagt, was ich zwar ein bisschen geahnt und befürchtet hatte, aber lieber nicht wissen wollte. Zu hören, was sie zu sagen hatten, war deshalb ein Schock. Ich kam mit einer sehr alten Wunde und grosser Unsicherheit in mir in Kontakt. Alles in mir hat nach Sicherheit geschrieen und ich hätte mir so gewünscht, dass mein Gegenüber irgendetwas tut, um mir diese Sicherheit zu geben. 

Einerseits. 

Denn andererseits war da schon in dem Moment, als ich gehört habe, was ich nicht hören wollte, ein Teil in mir, der erleichtert war. Der froh war, mitten im Herz in der Wirklichkeit anzukommen (die Tipi-Retreats heissen nicht umsonst „Mitten ins Herz der Wirklichkeit“;-)). 

Denn der echte Seelenfrieden ist nicht dort, wo jemand mir sagt, was ich hören möchte und damit meine Vorstellungen bestätigt und meine Erwartungen und Hoffnungen erfüllt. Der echte Seelenfrieden ist dort, wo meine Liebe zur Wahrheit stärker wird als meine Angst. Wo ich bereit bin, der Wirklichkeit zu begegnen. Wo ich mit offenen Augen sehe, was was WIRKLICH IST. Wo ich die Wahrheit geradezu wissen WILL. Unabhängig davon, ob sie weh tut oder nicht. 

Ich glaube, dass wir das eigentlich alle wollen. Diesen echten Seelenfrieden jenseits von oberflächerlicher Bestätigung und scheinbarer Sicherheit. Diesen ECHTEN SEELENFRIEDEN, der sich jedes Mal dann einstellt, wenn wir grösser werden als unsere Angst vor der Wirklichkeit.

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